Hände

Der Körper – eine Ganzheit

Im mehrere tausend Jahre langen Prozess der Körper-Geist-Spaltung, ist der Leib zum Ort und Träger finsterer Überzeugungen geworden. Trotz aller Bewusstwerdung haben wir den Körper in den meisten Fällen nicht so ergriffen und mitgenommen, dass wir uns als Ganzheit erleben würden. Heute sind wir einseitig, kopflastig und haben einen übergroßen, dominanten Intellekt entwickelt.

Der Körper ist eine Ganzheit, zu welcher der Kopf gehört. Eine wunderbare Hervorbringung der Evolution. Der Körper trägt den Weltentstehungsprozess in sich. Mit dem Körper atmen wir, lachen, lieben und fühlen wir. Mit ihm nehmen wir wahr. Wie sollten wir sonst zur Zärtlichkeit gelangen, die das Weben von Beziehung ist.

Und unsere Hände werden begabt sein für die Güte. Unsere Hände werden begabt sein für die Liebe. Und das wird unsere Freiheit sein.(Ingeborg Bachmann, Dichterin)

Haut – Hände – berühren – Tastsinn – der Weg zur Einheit

Die Haut, die Hände, der Tastsinn und die Berührung sind Aspekte des Menschen, die zum Wunderbarsten gehören. Wir berühren mit den Händen. Was geschieht, wenn ein Mensch einen anderen Menschen berührt? Was „sagt“ unsere Haut zu einer Berührung, zu einem Tätscheln, zu einer mechanischen Berührung?

Das, was sie sagt, erzählt uns unser Tastsinn, mit dem wir die Berührung wahrnehmen. Fühlen wir uns wohl? Fühlen wir uns bedrängt? Schmerzt sie gar? Welch tiefer Schmerz, wenn jemand geschlagen wird! Ist die Berührung selbstlos und gebend oder fordernd und erwartungsvoll?

Was geschieht mit einem Kind, das nicht berührt wird? Es entsteht Berührungshunger, Berührungsangst, oft beides. Wird ein Kind hingegen liebevoll berührt, gestreichelt, in den Arm genommen, geküsst, liebkost, ohne „sich am Kind zu bedienen,“ dann wird es selbstsicher und selbstbewusst. Es fühlt sich wert und richtig. Und es lebt im Körper.

Die Haut – Medium des Austausches

Die wesentlichste Sinnesempfindung ist von Anfang an die Berührung. Wir fühlen, wir lieben und hassen, sind empfindlich und empfinden durch die Haut. Die Haut umhüllt uns ganz und gar. Sie ist das früheste und sensitivste Organ und erstes Medium des Austausches. Wahrscheinlich ist sie neben dem Gehirn das wichtigste unserer organischen Systeme.

Sich also über die Hände und das Berühren Aufschluss zu geben, sich dahinein zu vertiefen, ist von allergrößter Bedeutung. Durch die Hände kommen wir heraus aus dem allzu Persönlichen. Und im absichtslosen Berühren manifestieren wir das Göttliche.

Es kam eine Frau zum Buddha und fragte, wie sie meditieren solle.
Er wies sie an, sich jeder Bewegung ihrer Hände bewusst zu sein,
wenn sie Wasser aus dem Brunnen schöpfte.
Wenn sie darauf achten würde, wäre sie bald in jenem Zustand
wacher und weit offener Ruhe, der Meditation ist.Sogyal Rinpoche

Der Tastsinn – der Ursprung aller Empfindungen

Der am unmittelbarsten mit der Haut verbundene Sinn, der Tastsinn, ist der Ursprung aller Empfindungen und wird vom menschlichen Embryo vor allen anderen Sinnen entwickelt.

Absichtsloses Berühren – der fragmentierte Mensch

Im kaschmirischen Shivaismus treffen wir auf die Kunst des Berührens als ein völlig eigenes Yoga. (Yoga = verbunden sein mit dem Göttlichen). Es handelt sich um die Kunst der Absichtslosen Berührung. Dies geschieht im Zustand des Gewahrseins und der offenen Weite, der reinen Präsenz, in welcher nichts mehr „gewollt“ wird und der Kontakt keine sexuelle Strategie mehr ist. Durch den Tastsinn gelangt der Mensch also wieder ganz natürlich zu seiner Einheit, wenn er zutiefst berührt wird.

Werden wir in dieser Weise berührt – im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn – geschieht etwas Wunderbares und Außerordentliches: der zerbrochene und fragmentierte Mensch wird wie von innen her zusammen gesetzt, oder man könnte auch sagen, die Fragmente schmelzen wie Butter in der Sonne. Und der Mensch wird auch aus psychologischer Sicht zu einem Ganzen. Aus spiritueller Perspektive ist er ja schon immer ganz.

Hände umfassen die Leere

Lalita Devi erzählt: „Mein Vater war Töpfer, und schon als Kind
faszinierten mich seine Hände, wenn sie den Ton rund um die Leere
aufbauten und, von der Leere ausgehend, die schönsten Dinge formten.
Der Krug ist voller Leere. Die Leere ist der Knochen und das Mark
aller Lebewesen und aller Dinge.“Daniel Odier, Tantra - Erwachen der absoluten Liebe

Sie finden bei mir „Die Kunst der absichtslosen Berührung“

Wenn Sie mehr wissen wollen über Beziehung, und wie die Hände Sie zur Zärtlichkeit führen, dann steht Ihnen ein Kapitel meines Buches „In Erwartung der Zärtlichkeit“ im Lesesaal zur Verfügung.