Die integrative Kraft des Weiblichen
Lat. integrare = wiederherstellen
Nadel und Faden
Nähst du die Fetzen zusammen,
sieh sie als Leerheit und Erscheinungen.
Mit der Nadel als Gewahrsein
Und dem Faden als Mitgefühl
Nähst du so neue Kleider
Für die Wesen der Daseinswelt.Frau Pfeilmacherin, in „Die weibliche Seite des Buddha“ von Agnes Pollner
Die weibliche Kraft manifestiert den Geist, bringt ihn zur Verkörperung, fügt zusammen
Lat.: „Manifestare“ bedeutet „handgreiflich machen.“ So wird Manifestation als das Sichtbarwerden oder sich offenbaren von Dingen aller Art bezeichnet, die vorher unsichtbar bzw. gestaltlos oder nicht existent waren.
Das Weibliche Prinzip ist das manifestierende, verkörpernde Prinzip. Das Prinzip, das alles erst ins Dasein, zum Leben bringt. Es handelt sich um die Verkörperung allen Lebens auf allen Ebenen.
Es ist das Verkörpern und zur Erscheinung bringen von Wissen ins Leben. Verkörpertes Bewusstsein. Es ist alles Sinnliche, Bewegende, Lebendige, Geschaffene.
Alle Formen des Universums sind Manifestationen der göttlichen kreativen Energie, der Shakti, des dynamischen weiblichen Prinzips. Shakti ist das subtil pulsierende kreative Potenzial, das alle Erfahrung durchdringt. Der Weibliche Aspekt des Göttlichen – ist der integrative, der integrierende Aspekt im Kosmos des Wunders der Evolution.
Das Weibliche stiftet Verbindung, verhält sich kommunikativ, führt zur Kommunion, hilft uns zu fühlen, umschließt, umarmt alles ohne Ausgrenzung. Insofern ist es integrierend bis zu den höchsten Stufen des Bewusstseins. Das Weibliche besitzt integrative Kraft, es verwebt die losen Enden eines Individuums zu einem Ganzen.
Das Männliche Prinzip ist das des unmanifestierten Allseins, des Kosmos der Ideen und des Wissens. Das Männliche Prinzip äußert sich in zielstrebiger Gerichtetheit.
Ken Wilbers Integrale Sichtweise
In einem Interview sagte Ken Wilber sinngemäß zu den Aspekten männlich und weiblich orientierter spiritueller Praxis:
„... Männer seien bereits evolutionär gut ausgestattet für bewegungsloses Sitzen und Starren (ideal für Zen u.ä.) während Frauen eher das in Beziehung sein und die Bewegung entspricht, was auch Teil ihres spirituellen Ausdrucks wird.
Das verdeutlicht Wilber durch empirische Befunde des Verhaltens männlicher bzw. weiblicher Besucher von Strip-Bars: während die Männer die Stripperinnen anglotzen, johlen und tanzen die Frauen beim Anblick der männlichen Stripper...“Aus: Integraler Newsletter September 2011
„Die typische pathologische Form männlicher Agenz ist brutale Dominanz und starre Autonomie. Der Mann möchte nicht Teil von etwas sein (Kommunion) sondern nur selbst das Ganze, entfremdete Agenz: Er fürchtet Beziehungen und schätzt nur Autonomie.
Umgekehrt ist die typische pathologische Form weiblicher Kommunion die Verschmelzung: Die Frau fürchtet Autonomie und verschwindet so sehr in Beziehungen, dass sie dabei ihre eigene Identität aufgibt. Sie möchte kein Ganzes - mit eigener Agenz - sein, sondern nur ein Teil von etwas Anderem - übersteigerte Kommunion.“Mehr über Integralen Feminismus in „Eros, Kosmos, Logos“ und „Das Wahre, Schöne, Gute“
Ein Tag wird kommen
„Ein Tag wird kommen, an dem die Frauen goldene Augen haben. Sie werden goldene Haare haben. Und es wird der Tag kommen, wo alle Frauen und Männer die Poesie ihres Geschlechts wieder entdecken. Dieser Tag wird kommen, an dem wir frei sein werden. Und wir werden frei sein, freier als jede Freiheit, an die wir je gedacht haben. Und alles wird fallen, was uns heute zerstört. Wir werden frei sein. Wir werden miteinander frei sein, die Frauen und die Männer.
Und unsere Hände werden begabt sein für die Güte. Unsere Hände werden begabt sein für die Liebe. Und das wird unsere Freiheit sein.“Ingeborg Bachmann, österreichische Dichterin
Dakinis – Himmelstänzerinnen
Eine zutiefst weibliche Art der Welterfahrung
Eine, die im Raum der Leerheit fliegt,
weil keine Zweifel über die wahre Natur der Wirklichkeit
sie mehr einschränken
Dakinis oder Yoginis sind erwachte Frauen. Dakini bedeutet wörtlich „Himmelstänzerin- oder wanderin.“ Es steht für ihr tiefes Verständnis der Leerheit. Eine, die im Raum der Leerheit fliegt, weil keine Zweifel über die wahre Natur der Wirklichkeit sie mehr einschränken. Hat die Dakini ihre wahre Natur erkannt, wird sie selbst zur Verkörperung dieser Erkenntnis, ein Körper des Erwachens. Die Dakini als Frau bestimmt ihr Bild selbst und verändert es, wie es ihr gefällt. Sie erscheint jedoch immer in einem weiblichen Körper, sie bringt Bewegung und Körperlichkeit ins Spiel. Sie kontrolliert ihr Bild selbst und lässt sich, ebenso wie die Wirklichkeit, nicht instrumentalisieren. Im Tanzen der Dakini drückt sich eine zutiefst weibliche Art der Welterfahrung aus.
Im Allgemeinen repräsentiert die Dakini den in ständiger Veränderung begriffenen Fluss der Energie, das Spiel der Energie in der Erscheinungswelt.
Wenn wir die Dakini als den subtilen Fluss der Energie betrachten, so ist verständlich, dass bei einer Handlungsweise, durch welche die Energie der Erde gestört wird, zugleich auch das Dakini-Prinzip in Mitleidenschaft gerät, wodurch Krankheiten, Hungersnöte und Kriege entstehen können.Agnes Pollner, Die weibliche Seite des Buddha